Mit der Einweihung des ersten öffentlichen Bücherschranks in der Gemeinde Grafschaft hat Lantershofen ein neues kulturelles Kleinod.


Es war ein Gedankenblitz, als Ortsvorsteher Leo Mattuscheck vor gut zwei Jahren in der Informationsbroschüre `Netzwerk Kommunal´ der Westenergie entdeckte, dass dort auch Projekte für Kultur und Soziales in Kommunen gefördert werden, speziell öffentliche Bücherschränke als neue soziale Treffpunkte. „Genau so ein urbanes Möbelstück passt zu dem aktuellen Förderkonzept des Dorfes, gemeinsame Projekte für jedes Alter zu entwickeln und lebendige Nachbarschaften zu gestalten“, war seine Idee.
Einer ersten Anfrage des Ortsvorstehers bei der Westenergie in Saffig, die solche Bücherschränke fördert, wurde aufgrund hoher Nachfrage keine Chance eingeräumt. Umso größer war die Freude, dass nach wiederholten Nachfragen Lantershofen in das Förderprogramm aufgenommen werden konnte. Zwei Jahre später wurde am Mittwoch, den 6. April 2022, der Bücherschrank aufgestellt und um 15:00 Uhr im Rahmen einer kleinen Eröffnungszeremonie eingeweiht und an die Dorfgemeinschaft übergeben.
Ortsvorsteher Mattuscheck bezeichnete den „öffentlichen Bücherschrank“ als rundum gelungenes Projekt und freute sich, dass es gelungen war, mit der Westenergie einen Partner und Förderer gefunden zu haben, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, neben der Energieversorgung auch das gesellschaftliche und kulturelle Leben zu beleben.
Der Platz am St. Ursula-Haus in Lantershofen ist der ideale Aufstellungsort für den Bücherschrank. Die Mehrzweckhalle dient den zahlreichen Sport- und Musikvereinen des Dorfes als Übungs-, Trainings- und Tagungsstätte. Hier tagt seit 1990 auch der beliebte Seniorentreff, der zeitgleich mit der Einweihung stattgefunden hat. In unmittelbarer Nachbarschaft befinden sich weiterhin die Kindertagesstätte St. Katharina und seit 2019 der Jugendtreff Lantershofen.
Der rund 150 kg massive Stahlschrank ruht kraft eigener Schwere bewegungsfest und standsicher auf dem Stahlsockel. Das Design des Bücherschranks aus Corten-Stahl in korrosionsfreier Rostoptik mit zwei seitlich selbstschließenden Acrylglastüren und vier Glasböden stammt aus der Werkstatt Urbanlife eG in Köln.
Der wetterfeste Bücherschrank ist kein gewöhnlicher Schrank, sondern wirkt wie eine kunsthandwerkliche Skulptur. Aus dicken Cortenstahlblechen gefertigt, ist der Schrank ein dauerhaftes Stadtmöbel, das nahezu wartungsfrei und auch vandalismussicher ist.
Cortenstahl ist ein Material mit einer ganz besonderen Eigenschaft, die es für den Außeneinsatz geradezu prädestiniert. Er bekommt unter Witterungseinfluss nach einiger Zeit an der Oberfläche eine braun-rote Patina mit einer typischen „Rostoptik“, die durch ihren rötlich-braunen Farbton und die matt-angeraute Oberfläche warm wirkt.
Die Verwendung kultureller Skulpturen aus Cortenstahl hat in Lantershofen Tradition. Seit 2011 werden die Verkehrsteilnehmer der L83 Hemmessener Straße am Dorfeingang des Winzerplatzes von den drei Brauchtumsfiguren Bürjervereinsmän, Jonggeselle und Brötchesmädche aus Cortenstahl begrüßt. Nach dem Umbau des Winzervereins als Dorfgemeinschaftshaus wurden bei der Neugestaltung des Vorplatzes hier 2017 die Negative dieser Cortenstahl-Figuren als dekorative Kunst am Bau aufgestellt.
Bücherschränke in Innenräumen und Bibliotheken vermitteln für sich schon Kultur. Wenn sie aber dann noch einfach so im öffentlichen Raum aufgestellt und für jedermann frei zugänglich sind, tragen sie die Kultur ins Freie und beleben öffentliche Plätze. Gerade Kinder und Jugendliche können hier als Leseratten neue Entdeckungen machen. Es ist spannend, in einem coolen offenen Bücherschrank nach Abenteuerbüchern zu stöbern.
Nicht nur junge, sondern auch alte Leseratten können ihre gelesenen Bücher einstellen oder tauschen. Natürlich ist es für alle Nutzer wünschenswert, wenn die ausgeliehenen Bände nach dem Schmökern wieder den Weg zurück in den Bücherschrank finden. Es sollte für alle Liebhaber des Lesens selbstverständlich sein, die Bücher immer in einem „ordentlichen und lesbaren Zustand“ zurückzubringen. Von Zeit zu Zeit können weitere Bücher eingestellt und ausgetauscht werden. In einem weiteren Schritt ist vorstellbar, auch CDs mit Musik oder Hörbücher in den Schrank als Leihobjekte mit aufzunehmen.
Damit das System des „offenen Bücherschranks“ gut läuft und reibungslos funktioniert, bedarf es noch einer besonderen Obacht und Fürsorge. Wie bei vielen Projekten im Dorf geht das nur im Rahmen des Bürgerschaftlichen Engagements und der Mitwirkung von Akteuren aus dem Dorf. Für diese besondere Aufgaben haben sich mit Johann „Hannes“ Dengg und Horst Peter Kujath zwei Lantershofener „Bücherwürmer“ und Kulturfreunde zur Verfügung gestellt. Sie werden regelmäßig ein Auge auf Inhalt und Zustand des Schrankes haben. Ihre Kontaktdaten sind auf der Plakette des Bücherschrankes notiert.
Mit dem neuen kulturellen Kleinod erfährt auch das Umfeld des St. Ursula-Hauses eine neue Qualität. Nunmehr wird auch der Vorgarten neben dem Haupteingang zu einem Ort, an dem sich Menschen begegnen. Praktischerweise wird der kleine Platz auch von zwei Sitzbänken gerahmt, an dem sich die Leseratten schon in ihre Lektüre vertiefen können. Auf diese Weise tragen die Bücher und der kultische Bücherschrank zu einer neuen Form der Kommunikation bei. Vielleicht wird der eine oder die andere zu einem eigenen Essay angeregt, der z.B. im vierteljährlichen Lantershofener erscheinen könnte.
Gutes Design und gute Gestaltung tragen zur Aufwertung des Ortes bei. Gutes wird als „schön“ empfunden und trägt zu einer Wohlfühlatmosphäre bei. Ein gutes Ambiente ist auch häufig ein Garant dafür, dass für den Ort Wertschätzung gezeigt und damit Vandalismus vorgebeugt wird.
Die Idee eines öffentlichen Bücherregals stammt von den amerikanischen Künstlern Michael Clegg und Martin Guttmann. Sie hatten 1993 in Mainz aus einem alten Schaltkasten eine soziale Skulptur konzipiert und zu einem Bücherregal im öffentlichen Raum umgestaltet. Zehn Jahre später hat die Bonner Innenarchitektin Trixy Royeck 2003 das Mainzer Kunstobjekt aufgegriffen und daraus einen Bücherschrank als dauerhaftes Stadtmöbel entworfen, in dem Bücher zum Verschenken eingestellt werden konnten.
Die hier gezeigte Form des offenen Bücherschranks wurde 2007 von dem Kölner Architekten und Designer Hans-Jürgen Greve mit insgesamt 5 Modellen als BOKX®-Bücherschrank entwickelt, die inzwischen über 750-mal in ganz Deutschland zur Aufstellung gekommen ist.
Von Raymund Pfennig
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